27.05.2021: Institutskolloquium an der Universität Göttingen
Vortrag: Prof. Dr. Katharina Schramm
Die Sozial- und Kulturanthropologie (SKA) steht im Feuer der Kritik: zu kolonial, zu weiß, zu liberal. Ein Fach, das sich „als Wissenschaft für die Fernkompetenz“ (Bierschenk et al. 2013: 20) oder als „Wissenschaft vom kulturell Fremden“ (Kohl 2012) begreift, erscheint zunehmend anachronistisch – und wird, gerade auch von Studierenden, im Hinblick auf seine Methoden, seine Begrifflichkeiten, sein Publikum und nicht zuletzt seine Relevanz befragt. Das betrifft auch den Umgang mit der Fachgeschichte und deren Stellenwert – wenn der Boden ins Wanken gerät, wackelt das ganze Haus.
In der Kritik an den epistemologischen Grundlagen der SKA spiegeln sich globale gesellschaftliche Debatten um Deutungshoheiten, Wissensformationen und rassistische Diskriminierung in der Gegenwart, wie sie beispielsweise innerhalb der südafrikanischen Student*innenbewegung im Hinblick auf den Raum der Universität als Ganzes artikuliert wurden. Zugleich sind diese Diskussionen nicht neu – sie wurden spätestens seit den 1970er Jahren vor allem von postkolonialen und feministischen Autor*innen in das Fach eingebracht. In meinem Vortrag möchte ich den ethnographischen Blick daher nach innen richten, um Möglichkeiten einer differenzierten, akteurszentrierten und problemorientierten Kritik unserer akademischen Praxis auszuloten.